Fokus 2024 - Schultheater.Leben

Versuch mit Driemel Holz

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"Schöner lügen" – Spielansätze als Türöffner für die Lebenswelten von Jugendlichen

Anne Holz und Ina Driemel

1. Einleitung

1.1 Inhaltsbeschreibung des Workshops

Wie finden wir einen Zugang zu den Lebenswelten von Jugendlichen? Diese Frage ist im Kontext theaterpädagogischer Arbeit durchaus weit verbreitet. Die Generierung szenischen Materials, das unmittelbar Bezug nimmt auf bzw. Einblicke in jugendliche Lebenswelten gibt, scheint angesichts der asymmetrischen Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden herausfordernd.

In dem Workshop geht es um Ansätze, die es Jugendlichen/Schüler*innen ermöglichen, ihre Sichtweisen, Erfahrungen und Perspektiven „ungefiltert“ einzubringen, und gleichzeitig die besondere Situation schulischer Präsentationsformen berücksichtigen.


1.2 Hinweise zur Durchführung

Bei diesem Workshop wird mit biografischem Material gearbeitet. Dies setzt eine gewisse Offenheit voraus. Als Basisregel sollte jedoch gelten, dass die Teilnehmenden selbst entscheiden können, ob sie an den Übungen teilnehmen möchten – oder auch nicht, z.B. wenn sie eher in die beobachtende Position gehen möchten. Auch ist es jederzeit möglich, die eigene Biografie zu fiktionalisieren, „Lügen“ ist also ausdrücklich erlaubt.



2. Übung I: Wahrheit oder Lüge

Aufgabe:

Die Teilnehmenden überlegen sich drei biografische Informationen, die sie gern einmal veröffentlichten würden, die die anderen im Raum mit Sicherheit nicht wissen können. Aber nur zwei davon sollen wahr sein und eine Information soll „gelogen“, also hinzu erfunden sein. Dabei wird der Hinweis gegeben, dass die unwahre biografische Information einen persönlichen Wunsch darstellen kann („Was ich schon immer einmal machen wollte“) oder eine Aversion o.ä.; alle drei Informationen sollten möglichst nicht so nah an die erwartbare Berufs- oder Schulbiografie heranreichen bzw. nicht all zu offensichtlich sein. Besonders beim Erdenken der „Lüge“ werden schon mögliche Vorurteile und Zuschreibungen antizipiert („Was trauen andere mir zu /nicht zu, worauf schließen andere aufgrund meines Äußeren“ o.ä.)

Anschließend werden Kreise gebildet (je nach Gruppengröße); jede Person im Kreis stellt nun ihre drei Behauptungen vor, wobei die nebenstehende Person (Vorplanung der Partnerarbeit) die Aufgabe erhält, besonders aufmerksam zuzuhören. Wenn alle ihre biografischen Informationen vorgestellt haben, spazieren die Zweier-Paare durch den Raum und tauschen sich darüber aus, welche Information wohl die Lüge war. Weiter soll darüber gesprochen werden: Wonach habe ich entschieden, welche Aussage ich bei meinem Gegenüber für unwahrscheinlich halte, was hat mich bei der Beurteilung der Aussagen geleitet (Waren es Vorannahmen, Zuschreibungen, habe ich eigene biografiebezogene Erfahrungen übertragen?) Und was habe ich selbst über mich erfunden (Lüge), wofür steht diese Lüge (Wunsch, Aversion…)? Anschließend kommt die Gruppe im Plenum zusammen und es folgt ein kurzes Blitzlicht zu den Zweier-Gesprächen.


Hinweis:

Bei kleineren Gruppen (max. 10 Personen) kann auch so verfahren werden, dass zunächst eine Person ihre drei biografischen Informationen vor der gesamten Gruppe vorstellt. Anschließend muss sich die Gruppe darauf einigen, welche Aussage sie für erfunden hält und warum ausgerechnet diese. Anschließend löst die Person dann auf.


Variante:

Alle drei Informationen werden vorgestellt (A/B/C), die Teilnehmenden melden sich bei der Aussage, von der sie annehmen, dass das die Lüge sei. Alle Teilnehmenden schreiben anschließend in ihre Kladden, welche Assoziationen sie bezüglich der Auswertung ihrer eigenen „Wahrheit oder Lüge“-Runde haben.



Reflexion:

Die Übung dient als Einstieg in den spielerischen Umgang mit biografischem Material. Sie kann in schulischen Gruppen einerseits neugierig machen auf das Arbeiten mit eigenem biografischen Material, macht aber von Anfang an ganz deutlich, dass es nicht darum geht, mittels voyeuristischem Blick in die Lebensgeschichten der Performer:innen zu schauen, die sich dafür „zur Verfügung stellen müssten“. Da alle frei entscheiden können, was sie veröffentlichen wollen, stärkt dies selbstermächtigendes Verhalten: Was sollen die anderen über mich wissen, imaginieren, was die Gruppe auch nicht schon weiß?

Auch die sogenannte Lüge erzählt ganz viel über mich, denn damit veröffentliche ich etwas, was ich gern gemacht hätte, können würde, für die Zukunft erhoffe etc.: Was würde ich für mich interessant finden, was hätte ich gerne schon einmal gemacht?

Oder aber ich zeige, dass ich fremde Vorurteile mir gegenüber kenne / vermute: Ich imaginiere ein Vorurteil. Als Teil der Gruppe erfährt jede:r aber auch interessante biografische Dinge, muss sich mit Zuschreibenden und Vorurteilen auseinandersetzen, die Gruppe lernt sich besser kennen. Durch die “Lügen“ ist aber jede:r in gewisser Weise geschützt. Selbst wenn in der weiteren Arbeit einzelne Textbausteine dieser Übung weiter benutzt werden, sogar Eingang in szenische Präsentationen finden werden: Allen ist klar, es gibt durch Fiktionalisierung einen neuen künstlerischen Zugriff auf jegliches biografische Material. Das ist im schulischen Kontext wegen der ständigen Nähe der Schüler:innen in der Peer-Group ohne echte Save spaces und meist nicht so gut funktionierenden Anti-Mobbing-Konzepten oft besonders wichtig.


3. Übung II: Objekte erzählen lassen

Aufgabe:

Die Teilnehmenden werden gebeten, drei Objekte aus ihrer Tasche zu holen, die etwas über sie erzählen (z.B. Schlüsselbund, Kalender etc., Wasserflasche…). Die Teilnehmenden finden sich in Gruppen (z.B. fünf Personen) zusammen und stellen sich die Objekte zunächst gegenseitig vor, erzählen also über die persönliche Bedeutung der Objekte, darüber, warum sich diese in der Tasche befinden. Anschließend wählt jede Person ein Objekt der vorgestellten Objekte der anderen aus. Innerhalb der Gruppe sollen nun die fünf Objekte zu einer Art Mini-Installation arrangiert werden.

Präsentation:

Die Gruppen werden nun gebeten, ihre Mini-Installation gut sichtbar im Raum zu platzieren. Die Gruppe, die beginnt, stellt sich in eine Reihe hinter die Objekte, mit Blick in Richtung Publikum. Aus der Perspektive des Objektes erzählt nur diejenige Person, die das Objekt „adoptiert“ hatte, was sie erfahren hat. Möglichst ohne vorherige Absprache beginnt eine Person und erzählt solange, bis eine andere mit einem klaren „Stopp“ unterbricht und mit der Geschichte des „adoptierten“ Objektes fortsetzt. Die Gruppe improvisiert innerhalb dieser Spielregeln (schnelle Unterbrechungen sind möglich, wobei darauf geachtet werden sollte, dass allen aus der Gruppe ein gewisser Redeanteil zukommt). Die Gruppenerzählung kann durch eine zeitliche Vorgabe gerahmt sein (z.B. sieben Minuten) oder die Gruppe kann alleine ein Ende finden (z.B. Codewort vorher verabreden: „Und jetzt ist Schluss“)


Variation:

Während des Erzählens können die Objekte auch umgeordnet werden, wodurch eine weitere Erzählebene entsteht.


Reflexion:

Die Übung dient der Generierung biografischen Materials und der spielerischen Verfremdung dieses Materials. Besonders, wenn die ausgewählten Dinge „selbst sprechen“, also eine Ich-Erzählung entsteht, erfolgt stets eine Anreicherung des Materials durch die zweite Person, die das Ding als Spielobjekt „adoptiert“ hat. Durch die Auswahl der Objekte und das Erzählen aus der Perspektive des Objektes geht es stets sichtbar über das Individuelle hinaus, alle Teilnehmenden begreifen dies als künstlerische Bearbeitung, als Fiktionalisierungsprozess.

Und ganz nebenbei: Die Teilnehmenden schulen ihre Kompetenzen im aktiven Zuhören und Erzählen, im schulischen Kontext hat dieser Effekt einen besonderen Wert.

Wenn das Material weiter genutzt werden soll, empfiehlt es sich, die Präsentationen gut zu dokumentieren (Zugriffsmöglichkeit auf die Objekte sichern, ev. kleine Filmdokumentation) um auch mit zeitlichem Abstand Teile des entstandenen Materials wieder aufgreifen zu können.


4. Übung III: Biografisches Erzählen

Aufgabe:

Die Teilnehmenden bewegen sich durch den Raum, die Spielleitung gibt folgenden Impuls: „Denkt an einen Moment, in dem ich mutig sein musste, wollte, gewesen bin …!“

Anschließend formieren sich fünf Personen in einer Reihe mit Blick Richtung Publikum. Die Spielaufgabe ist eine Variante der vorherigen Übung, nur ohne Objekte. Als zeitlicher Rahmen werden sieben Minuten festgelegt, die Spielleitung stoppt die Zeit. Erlaubt ist auch hier das Spiel mit der Fiktionalisierung (z.B. durch Übertreibung der Ereignisse oder fiktive Elemente werden hinzugefügt), auch kann auf die Geschichten der anderen Bezug genommen werden.

Die Übung wird noch einmal wiederholt, jetzt mit einem anderen Erzählimpuls: „Denkt an einen Moment, in dem ich großen Druck/Stress gespürt habe und wie ich damit umgegangen bin…!“


Reflexion:

Auch dieses Verfahren eignet sich gut, um an Geschichten der Schüler:innen heranzukommen, ohne diese irgendwie auszustellen. Durch das Austauschen der erzählenden Personen als Stellvertretung, gar durch die Objekte als Erzählinstanz ist eine Fiktionalisierung, aber auch eine Rhythmisieren möglich, die Distanz zu der eigenen erzählten Geschichte ermöglicht es den Performanzen, die eigene neben den anderen Geschichten besser erleben zu können.


Variante:

Als Erzählimpuls kann zusätzlich ein mit Erinnerungen „gespickter“ Ort gewählt werden, von dem aus die Mut- und Wutgeschichten erzählt werden können. In der Schule eignen sich dafür die wenigen Rückzugsorte (Toilette, selten genutzte Treppenwinkel etc.) oder auch Orte, mit denen Schüler*innen herausfordernde Situationen erlebt haben (z.B. Vor der Lehrerzimmertür)


Übung IV: Ich und die Scham

Über das Fremde zum Eigenen Kommen, peinliche, sympathische Anti-Helden als Ausgangsmaterial für den biografischen Zugriff

Aufgabe 1: Die Teilnehmenden werden gebeten, sich ein Blatt Papier und einen Stift zur Hand zu nehmen, um ein Cluster zu erstellen zum Thema „Ich und die Scham“. Die Aufgabe dient als Einstieg in die Arbeit mit dem Fremdtext, in diesem Fall das Buch „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche.

Aufgabe 2: Aus dem Buch werden vier Textabschnitte ausgewählt und auf Kleingruppen verteilt. Jede Gruppe soll sich eine kurze szenische Präsentationsform für ihren Text überlegen (Hinweis: die Arbeitszeit in den Gruppen möglichst kurz halten, da es zunächst um assoziative Ideen zum Text geht, es geht also um 10- max. 15 min.)

Ausschnitt 1:

Wenn reges Kommen und Gehen in der Kabine neben mir herrscht und ich rumgestunken habe, bleibe ich so lange ruhig in meiner Kabine, bis kein Zeuge mehr da ist. Dann erst trau ich mich raus. Meine Klassenkameraden lachen mich für diese übertriebene Schamhaftigkeit immer aus.

Ausschnitt 2:

Nie kommt die Periode regelmäßig oder wie sie soll. Nie wie es auf der Packung steht. Jede einzelne Unterhose ist von ihr versaut. Vor allem die weißen. Das geht auch in der Kochwäsche nicht mehr raus. Selbst wenn man die weiße Unterhose bei zweihundert Grad waschen würde. Keine Chance.


Ausschnitt 3:

Wenn ich merke, dass langsam ein kleiner Popel in der Nase hart wird, muss ich ihn rausholen. Als ich noch kleiner war, habe ich das sogar in der Klasse gemacht. Auf der Autobahn sehe ich oft Leute, die, wenn sie sich unbeobachtet fühlen, schnell ein Häppchen von der Nase in den Mund befördern.

Ausschnitt 4:

Ich stütze mich auf meine Arme und bringe den ganzen Oberkörper in eine aufrechte Position. Ich stehe. Ha! Umdrehen und mich in Gänseschrittchen, weil es sonst zu sehr am Po zwickt, ganz langsam auf den Weg zum Klo machen. Drei Meter. Viele Minuten, um über etwas Schönes nachzudenken.

Aufgabe 3:

An die Präsentation kann die Übung automatic writing (auch bekannt als: Schreiben ohne den Stift abzusetzen) anschließen, die darauf zielt, biografisches Material zum Thema Scham, Angst und Ekel zu generieren. Das Material wird durch eine digitalisierte Form (gemeinsames Dokument, anonym) anonymisiert und kann als Spielmaterial für die weitere Arbeit dienen, die Texte können z.B. für eine Hörspur bearbeitet werden etc.

Kontakt:

Anne Holz – Lehrerin für Theater, Deutsch und Geschichte am Goethe-Gymnasium Schwerin. Fachleiterin für Theater/Darstellendes Spiel in Mecklenburg-Vorpommern. Seit dem WiSe 2023/2024 abgeordnete Lehrkraft an der Hochschule für Musik und Theater Rostock im Studiengang Lehramt Theater.
anne-kathrin.Holz@hmt-rostock.de

Dr. Ina Driemel – wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Musik und Theater Rostock im Studiengang Lehramt Theater, Studiengangsleiterin des Weiterbildungsmasters „Theater unterrichten“
ina.driemel@hmt-rostock.de

Zitate

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